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Tag 86: Haben Sie einen Notfallplan fuer den Fall, dass Ihr Angehöeriger weglauft? Das Phaenomen des Wandering verstehen

  • leyroutz
  • 20. Apr.
  • 2 Min. Lesezeit

Das Weglaufen – in der Fachsprache oft als "Wandering" bezeichnet – ist ein häufiges und komplexes Phänomen bei Demenzerkrankungen. Nach Studien zeigen bis zu 60% aller Menschen mit Demenz im Verlauf ihrer Erkrankung Weglauftendenzen. Aus personenzentrierter Sicht ist dieses Verhalten nicht einfach ein "Symptom", das unterdrückt werden sollte, sondern oft ein bedeutungsvoller Ausdruck innerer Zustände oder Bedürfnisse.

Kitwood würde uns ermutigen, genauer hinzuschauen: Weglaufen kann Ausdruck von Langeweile sein, von dem Bedürfnis nach Bewegung, von der Suche nach etwas Vertrautem oder dem Wunsch, einer als unangenehm empfundenen Situation zu entkommen. Manchmal steckt auch ein biografisch verankertes Motiv dahinter – etwa die Überzeugung, zur Arbeit gehen oder die Kinder von der Schule abholen zu müssen.


Einen differenzierten Notfallplan erstellen

Ein umfassender Notfallplan geht über die bloße Vorbereitung auf einen Ernstfall hinaus und umfasst drei wesentliche Ebenen:


1. Präventive Maßnahmen:
  • Führen Sie ein "Wandering-Tagebuch", in dem Sie Muster dokumentieren: Zu welchen Tageszeiten tritt das Verhalten auf? In welchen Situationen? Nach welchen Triggern?

  • Schaffen Sie sinnvolle Bewegungsmöglichkeiten wie tägliche Spaziergänge zu regelmäßigen Zeiten

  • Sorgen Sie für ausreichend sinnvolle Beschäftigung und Struktur im Alltag

  • Reduzieren Sie mögliche Stressoren und Überstimulation in der Wohnumgebung

  • Integrieren Sie beruhigende Rituale vor typischen "Wandering-Zeiten"


2. Sicherheitsmaßnahmen:
  • Sichern Sie Außentüren mit unauffälligen Sicherheitssystemen (z.B. zusätzliche Schlösser in ungewöhnlicher Höhe oder akustische Türalarme)

  • Verwenden Sie ein Erkennungsarmband mit Kontaktinformationen oder spezielle GPS-Tracker, die speziell für Menschen mit Demenz entwickelt wurden

  • Erstellen Sie eine "Identifikationskarte" mit Foto, Name und Kontaktdaten, die Ihr Angehöriger stets bei sich trägt (z.B. in eine Jackentasche eingenäht)

  • Legen Sie eine aktuelle Fotodatei an, die auch Details wie typische Kleidung, Gang und Körperhaltung dokumentiert

  • Sichern Sie gefährliche Bereiche wie Treppen oder Keller besonders


3. Notfallmaßnahmen:
  • Erstellen Sie eine Liste mit Orten, die Ihr Angehöriger wahrscheinlich aufsuchen könnte (frühere Wohnorte, Arbeitsplatz, Lieblingsorte)

  • Entwickeln Sie einen klaren Suchplan mit Zuständigkeiten für verschiedene Bereiche

  • Halten Sie einen "Notfallkoffer" bereit mit: aktuellen Fotos, Medikamentenliste, Beschreibung typischer Verhaltensweisen, Kontaktliste relevanter Personen

  • Erstellen Sie ein Informationsblatt für Rettungsdienste mit wichtigen gesundheitlichen Informationen

  • Vereinbaren Sie regelmäßige "Notfallübungen" mit anderen Familienmitgliedern oder Nachbarn


Das ethische Dilemma von Freiheit und Sicherheit

Ein besonders herausfordernder Aspekt beim Umgang mit Weglauftendenzen ist das Spannungsfeld zwischen Sicherheit und persönlicher Freiheit. Im Sinne Kitwoods ist es wichtig, die Autonomie der Person so weit wie möglich zu respektieren, während gleichzeitig Sicherheitsrisiken minimiert werden.

Fragen Sie sich daher stets: Ist diese Maßnahme tatsächlich notwendig oder schränke ich meinen Angehörigen unnötig ein? Welche Risiken bestehen wirklich und welche sind eher meiner eigenen Angst geschuldet? Gibt es einen weniger restriktiven Weg, Sicherheit zu gewährleisten?

In vielen Fällen können kreative Lösungen gefunden werden, die sowohl dem Bewegungsdrang als auch dem Sicherheitsbedürfnis entsprechen – etwa ein umzäunter Garten mit Rundweg oder regelmäßige begleitete Ausflüge zu den Orten, die der Person wichtig sind.



 
 
 

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© 2021 Christine Leyroutz - Alle Fotos von Fotografie_Lebzelt

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