Tag 82: Zwischen Fuersorge und Selbstfuersorge: Die veraenderte Lebensplanung pflegender Angehoeriger
- leyroutz
- 16. Apr.
- 2 Min. Lesezeit
Als Klinische Psychologin für pflegende Angehörige erlebe ich täglich, wie tiefgreifend die Demenzdiagnose eines nahestehenden Menschen die eigene Lebensplanung verändert. Berufliche Einschränkungen, verschobene Renteneintritte, aufgegebene Reisepläne oder weniger Zeit für andere soziale Beziehungen – die Liste der Veränderungen ist oft lang und die emotionale Anpassung daran herausfordernd.
Aus psychologischer Sicht durchlaufen viele pflegende Angehörige einen Prozess der Trauer um die eigenen Lebensentwürfe. Diese Trauer wird gesellschaftlich oft nicht ausreichend anerkannt oder sogar mit Schuldgefühlen verbunden. "Wie kann ich um meine Reisepläne trauern, wenn mein Partner doch so viel mehr verloren hat?" – solche Gedanken höre ich häufig.
Die Forschung in Bezug auf pflegenden Angehörige zeigt jedoch eindeutig: Die Anerkennung dieser Verlusterfahrungen ist kein Zeichen mangelnder Solidarität, sondern eine notwendige psychische Anpassungsleistung. Nur wer die eigenen Gefühle wahrnimmt und würdigt, behält langfristig die emotionale Kraft für die Pflegeaufgabe.
In meiner Beratungspraxis empfehle ich verschiedene Strategien zum Umgang mit veränderten Lebensplänen:
1. Trauer artikulieren: Sprechen Sie mit vertrauten Menschen oder in einer Selbsthilfegruppe über Ihre aufgeschobenen Träume. Manchmal hilft auch das Schreiben eines Briefes an sich selbst, in dem Sie Ihre ursprünglichen Pläne würdigen.
2. Träume modifizieren, nicht aufgeben: Überprüfen Sie, welche Kernaspekte Ihrer Lebenswünsche in modifizierter Form weiterhin realisierbar sind. Wer vom Sabbatjahr in Australien träumte, kann vielleicht Kurzurlaube in der Nähe einplanen, während eine Vertrauensperson die Betreuung übernimmt.
3. Zeithorizonte anpassen: Manche Träume müssen nicht aufgegeben, sondern nur verschoben werden. Die Pflegephase mag intensiv sein, ist aber nicht unendlich.
4. Die transformative Kraft der Pflege erkennen: Viele pflegende Angehörige berichten, dass sie durch die Pflegeerfahrung neue Werte, Fähigkeiten und Perspektiven entwickelt haben. Diese persönliche Entwicklung kann bei aller Belastung auch als Bereicherung erlebt werden.
Besonders wichtig ist mir die Botschaft: Die personenzentrierte Haltung, die Sie Ihrem Angehörigen mit Demenz entgegenbringen, dürfen und sollten Sie auch sich selbst gegenüber einnehmen. Sie haben ein Recht auf Akzeptanz, Wertschätzung und das Bemühen, trotz aller Einschränkungen Momente der Selbstverwirklichung zu finden.

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