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Demenz und Weihnachten – wenn der Druck groeßer ist als die Vorfreude

  • leyroutz
  • 22. Dez.
  • 2 Min. Lesezeit

Weihnachten gilt als das Fest der Familie, der Nähe und der Harmonie. Gerade für Angehörige von Menschen mit Demenz fühlt es sich jedoch oft ganz anders an: anstrengend, angespannt, überfordernd. Viele beschreiben es nicht als Fest, sondern als Belastungsprobe. Und fast immer ist da dieser unausgesprochene Druck, „es trotzdem schön machen zu müssen“.


Der Druck kommt von vielen Seiten. Angehörige berichten mir immer wieder, dass sie vor Weihnachten besonders unter innerem und äußerem Druck stehen. Da sind Erwartungen von außen: „Heuer kommt ihr doch wieder alle zusammen?“ Da sind Erwartungen von innen: „Früher war das immer so wichtig, ich darf das nicht kaputt machen.“Und da ist die Sorge um den erkrankten Menschen: Wird er überfordert sein? Wird er sich fremd fühlen? Wird es zu peinlichen oder schmerzhaften Momenten kommen?


Zwischen diesen Polen versuchen Angehörige, allem gerecht zu werden – und verlieren dabei oft sich selbst aus dem Blick.

Demenz verträgt keine Inszenierung. Was wir an Weihnachten oft unterschätzen: Menschen mit Demenz reagieren nicht auf das, was geplant oder gemeint ist, sondern auf das, was sie im Moment erleben. Hektik, viele Menschen, laute Gespräche, Zeitdruck, ungewohnte Abläufe – all das kann Stress, Angst oder Rückzug auslösen. Nicht, weil jemand „schwierig“ ist, sondern weil das Gehirn diese Reize nicht mehr gut verarbeiten kann.

Ein perfekt gedeckter Tisch, ein voller Terminplan oder ein traditionelles Programm helfen dann niemandem. Im Gegenteil: Sie erhöhen den Druck auf alle Beteiligten.

Ein zentraler Gedanke, den ich Angehörigen immer wieder mitgebe, ist dieser: Weihnachten darf sich verändern. Und es darf kleiner, ruhiger, einfacher werden.

Vielleicht bedeutet das:– kein großes Familienessen mehr, sondern ein kurzer Besuch– nur eine vertraute Person statt vieler Gäste– ein Spaziergang statt eines langen Abends– oder auch die bewusste Entscheidung, heuer ganz auf klassische Rituale zu verzichten.

Das ist kein Scheitern. Es ist Anpassung. Und Anpassung ist eine Form von Fürsorge.

Der wichtigste Maßstab: Sicherheit statt Stimmung. Viele Angehörige fragen sich: „Ist es eh schön genug?“ Die wichtigere Frage wäre: „Ist es für uns sicher und stimmig?“

Sicherheit meint hier nicht nur körperliche Sicherheit, sondern emotionale. Fühlt sich der Mensch mit Demenz einigermaßen ruhig? Fühlst du dich nicht völlig überfordert? Gibt es Raum zum Atmen, zum Rückzug, zum Pausieren?


Ein Weihnachten ohne Überforderung ist wertvoller als ein Weihnachten mit perfekten Fotos.


Du darfst dich selbst mitdenken. Angehörige stellen ihre eigenen Bedürfnisse gerade zu Feiertagen oft ganz hinten an. Dabei gilt: Wenn du am Limit bist, wird es für niemanden leichter. Du darfst müde sein. Du darfst Nein sagen. Du darfst Unterstützung annehmen oder Grenzen setzen – auch gegenüber der Familie.

Weihnachten ist kein Leistungstest für Liebe.

Ein leiser Gedanke zum Schluss. Vielleicht ist Weihnachten mit Demenz nicht mehr das Fest der großen Gesten. Vielleicht ist es eher ein Moment: ein ruhiger Augenblick, ein vertrauter Geruch, ein Lied, das kurz etwas Vertrautheit schenkt. Weihnachten ist ein Gefühl.

Und vielleicht reicht genau das.

ree

 
 
 

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© 2021 Christine Leyroutz - Alle Fotos von Fotografie_Lebzelt

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