Tag 118: Alzheimer-Demenz verstehen – und aushalten
- leyroutz
- vor 5 Tagen
- 3 Min. Lesezeit
Ein Beitrag für Angehörige, die Tag für Tag zwischen Liebe, Verantwortung und Erschöpfung leben
Was ist das eigentlich – Alzheimer?
Viele von uns kennen das Wort. Es steht für Vergessen, für Verwirrung, für die schmerzliche Erfahrung, dass ein geliebter Mensch langsam „verschwindet“. Doch Alzheimer-Demenz ist mehr als ein Gedächtnisproblem.Sie ist eine neurodegenerative Erkrankung, bei der Nervenzellen, vor allem im Hippocampus und in der Großhirnrinde, schrittweise abgebaut werden. Die Folge: Die Fähigkeit, neue Informationen zu speichern, nimmt ab. Orientierung, Sprache, Urteilsvermögen und schließlich auch Bewegungsabläufe und die Steuerung des Körpers werden beeinträchtigt.
Aber das ist nur die halbe Wahrheit.
Denn Alzheimer verändert nicht nur das Gehirn. Sie verändert Beziehungen. Rollen. Und das Leben.
Psychologisch betrachtet: Die Langzeitbeziehung mit dem Unvorhersehbaren
Für betreuende Angehörige beginnt Alzheimer nicht erst mit der Diagnose.Oft spüren Sie es viel früher:
Das „Sich-Wiederholen“.
Die kleinen Verwechslungen.
Der Moment, in dem Sie das Gefühl haben: Irgendetwas stimmt nicht.
Psychologisch ist das der Anfang eines langsamen Abschieds bei vollem Bewusstsein.Ein sogenannter ambivalenter Trauerprozess: Der Mensch ist noch da – aber nicht mehr ganz derselbe.Das macht es so schwer.Denn es gibt kein klares „Davor und Danach“.
Medikamentöse Behandlung – was wirkt (und was nicht)
Der medizinische Fortschritt hat die Alzheimer-Demenz nicht heilbar gemacht – aber es gibt symptomlindernde Medikamente, die vor allem im frühen Stadium eingesetzt werden:
Acetylcholinesterase-Hemmer (Donepezil, Rivastigmin, Galantamin)– sollen den Abbau von Acetylcholin hemmen, einem wichtigen Botenstoff für Gedächtnis und Lernen– Wirkung: leicht stabilisierend auf Gedächtnis, Orientierung, Sprache
Memantin– wird eher in mittleren Stadien eingesetzt– greift in die Glutamat-Balance ein und kann bei Reizbarkeit, Unruhe und Überstimulation helfen
Wichtig:Diese Medikamente wirken nicht bei allen gleich gut. Manche Menschen reagieren empfindlich – mit Übelkeit, Schwindel oder gar mehr Verwirrung. Deshalb ist eine individuelle ärztlich-psychologische Begleitung so wichtig.
Was nicht wirkt:
Neuroleptika gegen Unruhe oder Aggression, wenn nicht absolut notwendig. Die Risiken überwiegen oft den Nutzen.
Medikamente ohne begleitende Beziehungspflege und psychosoziale Unterstützung.
Was Angehörige erleben – und selten laut sagen
Du lebst vielleicht mit jemandem zusammen, der dich nicht mehr erkennt –und trotzdem täglich auf dich angewiesen ist.Du organisierst Termine, erinnerst an Medikamente, sicherst den Alltag ab.Und vielleicht fühlst du dich dabei manchmal:
einsam
überfordert
schuldig, weil du müde bist
verletzt, wenn dein Vater dich für seinen Bruder hält
traurig, weil Gespräche zu Ritualen werden, nicht zu echtem Austausch
All das ist menschlich.Und: Du bist nicht allein damit.
Reflexionsimpuls für dich
Was ist das Schwerste an deiner Rolle gerade?
Was wünschst du dir – von deinem Umfeld, von deinem Angehörigen, von dir selbst?
Wo findest du kleine Momente der Verbindung – auch wenn die Erinnerung bröckelt?
Was bleibt – wenn das Gedächtnis geht?
Tom Kitwood, ein Pionier der personzentrierten Demenzpflege, schrieb:
„Menschen mit Demenz sind nicht weniger Menschen – sie brauchen nur andere Formen des Kontakts.“
Berührung. Blickkontakt. Mitsummen bei einem alten Lied.All das sind Wege, wie du deinem Angehörigen zeigen kannst: Ich bin da. Auch wenn Worte verschwinden.
Ein letzter Gedanke für heute
Alzheimer-Demenz ist keine Einbahnstraße in die Dunkelheit.Es ist ein Weg – manchmal beschwerlich, manchmal berührend, immer intensiv. Und du gehst ihn nicht, weil du musst. Du gehst ihn, weil du liebst – auch wenn du manchmal daran zweifelst.
Sorge gut für deinen Angehörigen. Aber vergiss dich selbst nicht.
Deine Seele verdient genauso viel Fürsorge wie die deines Gegenübers.

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