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Tag 130: Die stille Last der Einsamkeit in der Pflege: Wie Angehoerige wieder Anschluss finden koennen

  • leyroutz
  • vor 4 Tagen
  • 3 Min. Lesezeit

Pflegende Angehörige erfahren häufig eine tiefgehende Einsamkeit, die von der gesellschaftlichen Isolation herrührt, die mit der Pflege eines demenzkranken Menschen einhergeht. Die Anforderungen an die Pflege und der ständige Fokus auf den demenzkranken Angehörigen können dazu führen, dass die pflegende Person ihre eigenen sozialen Kontakte vernachlässigt. Dies kann zu einem Gefühl der Isolation und des Alleinseins führen, das besonders schwer wiegt, da die Pflege oft Tag und Nacht beansprucht wird.


Gerontopsychologische Forschung hat gezeigt, dass die soziale Isolation einen erheblichen Einfluss auf das psychische Wohlbefinden von pflegenden Angehörigen hat. Einsamkeit verstärkt das Risiko von Depressionen, Angststörungen und Stress, was die Fähigkeit zur Pflege weiter beeinträchtigt. Die Einsamkeit in der Pflege entsteht nicht nur durch den physischen Mangel an sozialen Interaktionen, sondern auch durch das Fehlen von Verständnis und Anerkennung für die Belastung, die die Pflege mit sich bringt.

Ein wichtiger Ansatz, um der Einsamkeit zu begegnen, ist die Förderung sozialer Netzwerke und die Suche nach Unterstützung innerhalb der Gemeinschaft. Studien haben gezeigt, dass pflegende Angehörige, die Teil von Selbsthilfegruppen oder Unterstützungssystemen sind, eine signifikant bessere Lebensqualität erfahren. Solche Gruppen bieten nicht nur emotionale Unterstützung, sondern auch die Möglichkeit, Erfahrungen auszutauschen und von anderen zu lernen, die in ähnlichen Situationen sind.


Dieser Beitrag soll Angehörige ermutigen, ihre Einsamkeit anzuerkennen und aktiv nach Wegen zu suchen, sich wieder mit der Welt außerhalb der Pflege zu verbinden. Ob durch den Aufbau neuer sozialer Kontakte, die Teilnahme an Pflegegruppen oder die Unterstützung von Fachleuten – es gibt Möglichkeiten, die Isolation zu überwinden und ein ausgewogenes Leben zu führen.


Anna und der leere Stuhl

Anna (62) sitzt an einem verregneten Mittwochabend allein am Esstisch. Der Stuhl gegenüber bleibt leer – ihr Mann Karl, 68 Jahre alt, schläft nach einem anstrengenden Tag früh im Wohnzimmer ein. Seit seiner Alzheimer-Diagnose vor drei Jahren ist Annas Kalender von Arztterminen, Medikamentenplänen und nächtlichen Unruhen bestimmt. Früher traf sich Anna mittwochs mit ihrem Chor; heute erinnert sie sich kaum, wann sie zuletzt gesungen hat. Freunde meldeten sich anfangs häufig, inzwischen seltener – Wir wollten dich nicht stören.

Die Stille im Haus wirkt plötzlich lauter als der Regen draußen.

Als Anna in der folgenden Woche zufällig einen Flyer der örtlichen „Demenz-Selbsthilfegruppe in der Apotheke sieht, zögert sie – wer soll Karl solange beaufsichtigen? Sie bittet ihre Tochter um Hilfe, diese freut sich, die Mutter unterstützen zu können.


Beim ersten Gruppentreffen sitzt Anna unsicher im Stuhlkreis. Neben ihr erzählt Herr M., wie er nachts stundenlang wach liegt, weil seine Frau meint, „der Zug fahre gleich ab“. Anna nickt – das kennt sie. Jemand lacht leise über das absurde Bild, und zum ersten Mal seit Langem lacht auch Anna.

Mini-Intervention: „3-Kontakte-Plan“

Schritt 1 – Inventur: Anna schreibt drei Namen auf, mit denen sie gern wieder sprechen würde.

Schritt 2 – Einladung: Sie ruft jeweils an und bittet um einen kurzen Spaziergang oder ein Telefonat.

Schritt 3 – Ritual: Sie legt die Treffen (oder Anrufe) in eine immer gleiche Woche – mittwochs, nach dem Gruppentreffen, denn da ist ihre Tochter für ihren Vater da.


Zwei Monate später hat sich Annas Mittwochabend verändert: Karl sitzt mit der Tochter beim Mensch-ärgere-dich-nicht, während Anna im Gemeindezentrum singt. Der leere Stuhl am Esstisch wartet noch immer – aber er ist kein Symbol mehr für Einsamkeit, sondern für eine Pause, die Anna sich bewusst nimmt.

Auf dem Heimweg summt sie ein Chorlied und denkt an die Worte einer Kollegin aus der Selbsthilfegruppe: „Wir sind nicht nur Betreuer:innen, wir sind auch Menschen mit Stimmen.“ Anna lächelt – sie hat ihre wiedergefunden.



 
 
 

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© 2021 Christine Leyroutz - Alle Fotos von Fotografie_Lebzelt

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