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Tag 83: Netzwerke der Entlastung: Ein sozialarbeiterischer Blick auf Unterstuetzungssysteme

  • leyroutz
  • 17. Apr.
  • 2 Min. Lesezeit

Als Klinische Psychologin mit dem Schwerpunkt Demenz erlebe ich immer wieder, dass viele pflegende Angehörige die verfügbaren Unterstützungsmöglichkeiten nicht vollständig ausschöpfen – sei es aus Unkenntnis, aus Scheu vor bürokratischen Hürden oder aus dem tief verwurzelten Gefühl heraus, "alles alleine schaffen zu müssen".


Ich möchte betonen: Die Pflege eines Menschen mit Demenz ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, keine private Herausforderung, die im Verborgenen bewältigt werden muss. Verschiedene Unterstützungssysteme zu nutzen ist kein Eingeständnis von Schwäche, sondern ein Zeichen von Kompetenz im Umgang mit einer komplexen Situation.

In meiner Beratungspraxis entwickle ich mit Familien individuelle "Entlastungslandkarten", die sowohl professionelle als auch informelle Unterstützungsmöglichkeiten umfassen:


Professionelle Unterstützungssysteme:

·       Tagespflege und Kurzzeitpflege: Diese Angebote ermöglichen strukturierte Auszeiten und werden von der Pflegeversicherung mitfinanziert. Besonders wertvoll ist dabei, dass die Betroffenen neue soziale Kontakte knüpfen und an aktivierenden Angeboten teilnehmen können.

·       Spezialisierte ambulante Pflegedienste: Neben grundpflegerischen Leistungen bieten viele Dienste mittlerweile auch demenzspezifische Betreuungsangebote an, die über die reine Körperpflege hinausgehen.

·       Beratungsangebote der Krankenkassen: Viele Versicherte wissen nicht, dass ihre Kasse kostenlose Pflegekurse oder individuelle Beratungsgespräche anbietet – ein niedrigschwelliges Angebot, das unbedingt genutzt werden sollte.


Lokale Gemeinschaftsinitiativen:

Community Nurses und Pflegenahversorger:innen: Die Community Nurses ermöglichen eine dezentrale Pflegenahversorgung, die ältere Menschen länger in ihrer gewohnten Umgebung bleiben lässt, indem sie als erste Ansprechpartner gesundheitliche Probleme frühzeitig erkennen und präventiv handeln. Durch ihre lokale Präsenz schließen sie die Versorgungslücke zwischen hausärztlicher Betreuung und stationärer Pflege, was nicht nur die Lebensqualität der Betroffenen erhöht, sondern auch Krankenhausaufenthalte reduziert. Community Nursing fördert zudem die soziale Teilhabe älterer Menschen und entlastet das Gesundheitssystem finanziell durch die Vermeidung teurer Hospitalisierungen und den effizienteren Einsatz von Pflegeressourcen. 

  • Nachbarschaftshilfen: In vielen Kommunen entstehen neue Formen organisierter Nachbarschaftshilfe, oft mit speziellen Schulungen für den Umgang mit Demenz.

  • Demenz-Cafés und Betreuungsgruppen: Diese bieten nicht nur Entlastung für Angehörige, sondern auch wertvolle soziale Teilhabe für die Betroffenen selbst.

  • Ehrenamtliche Besuchsdienste: Viele kirchliche und soziale Träger vermitteln geschulte Ehrenamtliche, die regelmäßig zu Besuch kommen und Angehörige entlasten.


Das persönliche soziale Netzwerk:

Der oft unterschätzte Bereich ist das eigene soziale Umfeld. Meine Erfahrung zeigt: Freunde und Familie sind oft unsicher, wie sie helfen können, und warten auf konkrete Bitten. Ein "Helferkreis", in dem verschiedene Personen regelmäßig kleine, klar definierte Aufgaben übernehmen, kann für alle Beteiligten bereichernd sein.


Mit einer Klientin entwickelte ich beispielsweise ein einfaches digitales "Helfer-Board", auf dem sie wöchentlich eintragen konnte, welche Unterstützung sie benötigte – vom Einkauf über Begleitdienste bis hin zu einem gemeinsamen Kaffeetrinken. Die Freunde und Familienmitglieder konnten sich nach ihren Möglichkeiten eintragen, und das System funktionierte erstaunlich gut – weil die Hürde zur Mithilfe gesenkt wurde.


Mein Appell aus psychologischer Sicht: Sehen Sie die Nutzung von Unterstützungsangeboten nicht als Versagen, sondern als Kompetenzbeweis. Die Kunst der Demenzbegleitung liegt nicht darin, alles alleine zu stemmen, sondern ein tragfähiges Netzwerk zu knüpfen, das Ihnen und Ihrem Angehörigen Sicherheit und Lebensqualität ermöglicht.

ree


 
 
 

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© 2021 Christine Leyroutz - Alle Fotos von Fotografie_Lebzelt

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