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Demenz und Krankheitseinsicht – warum Verstehen nicht immer moeglich ist

  • leyroutz
  • 21. Okt.
  • 2 Min. Lesezeit

„Ich bin doch nicht dement!“ – diesen Satz hören Angehörige, und auch wir in der Betreuung oft, manchmal begleitet von Empörung, manchmal mit Angst, manchmal mit fester Überzeugung. Für Außenstehende ist das schwer zu verstehen: Wie kann jemand so deutlich Symptome zeigen und gleichzeitig überzeugt sein, alles sei in Ordnung?


Doch genau hier beginnt eines der tiefsten Missverständnisse im Umgang mit Demenz: Krankheitseinsicht setzt voraus, dass das Gehirn jene Fähigkeiten noch besitzt, die durch die Krankheit selbst beeinträchtigt sind.


Die Fähigkeit, sich selbst realistisch wahrzunehmen, hängt eng mit dem Frontal- und Parietallappen zusammen – also mit jenen Regionen, die im Verlauf einer Demenz oft früh betroffen sind. Wenn diese Strukturen verändert sind, kann der Mensch schlicht nicht erkennen, dass etwas mit ihm „nicht stimmt“. Das ist keine Verweigerung, kein Trotz und keine Bosheit – es ist ein Symptom der Erkrankung.


Für Angehörige ist das manchmal schwer auszuhalten. Man bemüht sich zu erklären, zu überzeugen, zu argumentieren – und erlebt doch immer wieder, dass es „nicht ankommt“. Es entsteht das Gefühl, aneinander vorbeizureden. Hier hilft ein Perspektivwechsel: Nicht der Mensch verweigert die Einsicht – die Krankheit macht sie unmöglich.


Statt auf Einsicht zu bestehen, lohnt es sich, auf Beziehung zu setzen. Verständnis statt Überzeugungsarbeit. Sicherheit statt Korrektur. Wenn jemand mit Demenz sagt: „Ich brauche keine Hilfe“, kann das – übersetzt in die emotionale Sprache – heißen: „Ich will mich nicht hilflos fühlen.“ Darauf zu antworten mit „Ich weiß, und trotzdem bin ich da“ öffnet oft mehr Türen als jede Erklärung.

Im Alltag kann das bedeuten, Diskussionen zu vermeiden, die niemand gewinnen kann. Statt zu sagen „Du hast das vergessen“, kann man sagen: „Das ist mir auch schon passiert.“ Statt „Du bist krank“ lieber „Ich merke, dass manches im Moment schwieriger ist – soll ich dir helfen?“

ree

Krankheitseinsicht ist in der Demenz kein Ziel, das man erreichen kann. Aber Selbstachtung, Würde und Beziehungdie bleiben möglich, immer.Und vielleicht ist das die wichtigste Einsicht überhaupt.

 
 
 

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© 2021 Christine Leyroutz - Alle Fotos von Fotografie_Lebzelt

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