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Demenz-Wenn der Appetit nachlaesst:

  • leyroutz
  • vor 34 Minuten
  • 2 Min. Lesezeit
Essen zwischen Nähe, Überforderung und veränderten Bedürfnissen

Es beginnt oft ganz unscheinbar. „Sie isst weniger“, sagt eine Tochter. Oder: „Er lässt plötzlich alles stehen, was er früher geliebt hat.“ Und dann wächst die Sorge. Weil Essen ja so grundlegend ist, so existenziell. Viele Angehörige haben dann das Gefühl, versagen zu müssen, wenn der Teller nicht leer wird. Als würden sie nicht genug motivieren, nicht richtig kochen, nicht gut genug aufpassen.

Doch Appetitverlust ist in der Demenz häufig – und er hat viele Gründe, die nichts mit Schuld oder mangelnder Zuwendung zu tun haben. Der Körper verändert sich. Der Rhythmus des Tages auch. Die Reizverarbeitung wird anders. Und manchmal steckt hinter dem Nicht-Essen kein körperlicher Hunger, sondern ein emotionales Bedürfnis, das nicht mit Nahrung zu tun hat.


Essen ist mehr als Ernährung. Es ist Beziehung. Es ist Nähe, Routine, Sicherheit. Menschen mit Demenz spüren die Stimmung am Tisch sehr deutlich. Sie merken, wenn gedrängt wird, wenn jemand unruhig neben ihnen sitzt, wenn Erwartung im Raum steht. Und genau dann schwindet der Appetit oft noch mehr.

In Beratungen erzählen mir Angehörige immer wieder von dieser Unsicherheit: „Soll ich aufs aufessen bestehen? Soll ich locken? Soll ich nachgeben?“ Die Antwort ist selten schwarz-weiß. Aber eines ist sicher: Druck hilft nicht. Druck nimmt Lebensqualität – und Essen verliert seinen emotionalen Wert.


Manchmal ist es nicht der fehlende Hunger, sondern die Überforderung. Geräusche, Stimmen, ein überladener Teller, zu viele Farben, zu viele Schritte auf einmal. Oder es sind körperliche Dinge: Schluckbeschwerden, eine beginnende Infektion, Zahnprobleme, Müdigkeit, Angst.

Es ist entlastend zu wissen: Auch kleine Portionen sind genug. Häufige Snacks können sinnvoller sein als drei große Mahlzeiten. Bekannte Lieblingsgerichte geben Orientierung. Und manchmal bringt eine vertraute Melodie im Hintergrund mehr Ruhe als alles Zureden.

Sich dazu sitzen und mit Genuss essen- die Spiegelneuronen arbeiten. Zusätzlich kann die an Demenz erkrankte Person die Besteckaufnahme spielgeln. Auch das verunsichert Erkrnakte, wenn sie nicht mehr wissen wie man einen Löffel oder eine Gabel benutzt


Praktische Impulse für den Alltag:

  1. Kleine, gut zu bewältigende Portionen statt überfüllter Teller.

  2. Essen, das mit den Händen genommen werden kann – ohne Besteckstress.

  3. Lieblingsgerichte aus früheren Zeiten – emotionale Erinnerungen wirken appetitanregend.

  4. Düfte nutzen: frischer Kaffee, Vanille, Zimt. Gerüche wecken Appetit, lange bevor der erste Löffel kommt.

  5. Eine ruhige Umgebung, kein Lärm, kein Fernseher – Reizreduktion schafft Sicherheit.

  6. Gemeinsames Essen: Menschen mit Demenz orientieren sich am Gegenüber, nicht an der Uhrzeit.

  7. Und: Pausen akzeptieren. Der Körper weiß oft besser, wann genug ist, als jede Tabelle.


Es hilft, die Frage zu verändern: Nicht „Wie viel hat er heute gegessen?“, sondern: „Wie hat sich das Essen angefühlt?“War es friedlich? War Nähe spürbar? War es ein Moment von Zugehörigkeit?

Demenz nimmt vieles – aber sie nimmt nicht die Fähigkeit, Genuss zu empfinden. Sie nimmt nicht die Möglichkeit, einen wohltuenden Moment zu erleben. Auch wenn der Appetit schwankt, bleibt eines bestehen: Essen ist ein Akt der Beziehung. Und manchmal ist die wichtigste Zutat nicht das Essen selbst, sondern die Atmosphäre, in der es stattfindet.


ree

 
 
 

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© 2021 Christine Leyroutz - Alle Fotos von Fotografie_Lebzelt

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