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Warum Fuersorge oft unbemerkt das Herz auslaugt

  • leyroutz
  • vor 1 Tag
  • 2 Min. Lesezeit

Es gibt diese Momente, in denen man merkt: Ich funktioniere noch, aber ich fühle mich nicht mehr getragen. Alles läuft, aber nichts läuft leicht. Man kümmert sich, organisiert, begleitet, erklärt, übersetzt. Man beruhigt, man fängt ab, man hält zusammen.

Und irgendwann merkt man: Es ist nicht das Tun, das mich erschöpft. Es ist das ständige Dasein.


Fürsorge ist leise. Man hört sie kaum. Sie ruft nicht „hier bin ich“, sie macht sich klein, genügsam, unauffällig. Und vielleicht ist das genau der Grund, warum sie so sehr an den Kräften zehrt. Weil sie im Verborgenen stattfindet, im Hintergrund, zwischen Terminen, zwischen Mahlzeiten, zwischen zwei Telefonaten mit Ärzten und dem Versuch, am Abend noch eine halbe Stunde auf der Couch zu landen, ohne innerlich weiterzuarbeiten.


Viele Angehörige erzählen mir, dass sie gar nicht merken, wie müde sie werden. Nicht die körperliche Müdigkeit – die kann man noch wegschieben. Sondern die Herzmüdigkeit. Diese feine, tiefe Erschöpfung, die nicht durch Schlaf verschwindet. Dieses Gefühl, dass das Leben schwerer geworden ist, obwohl man sich eigentlich doch freut, helfen zu können.

Es ist diese Art von Müdigkeit, die entsteht, wenn man immer wieder über die eigenen Grenzen hinausgeht. Nicht laut. Nicht dramatisch. Sondern im Alltag, ganz still. Man vergisst sich selbst, weil jemand anderes wichtiger scheint. Und irgendwann bleibt man selbst auf der Strecke, ohne dass man es bemerkt.


Ich sage Angehörigen oft: Fürsorge ist kein Sprint. Es ist ein Langstreckenlauf, manchmal sogar ein Ultra-Marathon, den niemand trainiert hat. Wer dabei nicht regelmäßig anhält, wird unweigerlich stolpern. Und Stolpern ist kein persönliches Versagen. Es ist ein physiologisches Gesetz.


Es braucht diese Pausen, diese kleinen Inseln im Tag, dieses Anerkennen: Es ist nicht leicht, was ich tue. Und ich muss nicht unerschütterlich sein.

Manchmal reicht ein Satz, der innerlich die Spannung löst: Ich darf erschöpft sein. Es bedeutet nicht, dass ich weniger liebe.


Fürsorge kann das Herz auslaugen, ja. Aber sie kann es auch stärken – wenn man sich selbst mit derselben Zartheit begegnet, mit der man jeden Tag für jemand anderen da ist.

Vielleicht fängt es damit an, dass man sich erlaubt, es schwer zu finden. Und dass man sich genauso selbstverständlich in die eigene Fürsorge einlädt, wie man es für den geliebten Menschen tut.

ree

 
 
 

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© 2021 Christine Leyroutz - Alle Fotos von Fotografie_Lebzelt

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