top of page

Fördern ohne zu überfordern

  • leyroutz
  • vor 13 Minuten
  • 2 Min. Lesezeit

Wie wir Menschen mit Demenz in Bewegung halten, ohne sie aus dem Gleichgewicht zu bringen


Es gibt eine feine Linie zwischen Unterstützung und Überforderung. Viele Angehörige balancieren täglich genau darauf – manchmal sicher, manchmal schwankend, manchmal mit dem Gefühl, dass jede gute Absicht auch kippen könnte.

Der Wunsch ist klar: Man möchte den geliebten Menschen fördern, aktiv halten, beweglich, geistig anregt. Man möchte etwas tun, das stabilisiert, stärkt, Selbstwirksamkeit schenkt. Und gleichzeitig spürt man diese Sorge: Was ist, wenn es zu viel wird? Wenn der Mensch sich klein fühlt, beschämt, überfordert oder zurückzieht?


Dieses Gleichgewicht ist nicht leicht. Aber es ist möglich.

Ich beginne oft mit einem Satz, der Angehörige sichtbar entspannt: Fördern heißt nicht fordern. Es heißt: den Menschen dort abholen, wo er an diesem Tag ist – und nicht dort, wo er gestern war oder vor einem Jahr.

Bewegung ist ein wunderbarer Einstieg. Nicht Sport im klassischen Sinn, nicht Leistung. Sondern ein Gehen, das dem Körper wieder vertraut: „Ich kann mich bewegen“. Ein gemeinsames Aussteigen aus dem Haus. Eine Runde im Garten. Ein paar Schritte zum Fenster, ein bewusstes Strecken der Arme. Kleine Bewegungen, die nicht anstrengend sind, aber das Nervensystem wecken.


Kognition funktioniert ähnlich. Wir müssen nicht auf das Kurzzeitgedächtnis zielen, um etwas zu stärken. Das wäre, als würde man einem verstauchten Knöchel befehlen, schneller zu laufen. Stattdessen eignet sich das, was sich leicht anfühlt: Bilder anschauen und beschreiben, Dinge benennen, gemeinsam alte Lieder summen, eine Suppe kochen und den Duft erkennen, Farben sortieren, Alltagsabläufe begleiten.

Und manchmal tut ein Gespräch gut, das gar nichts „trainiert“, sondern nur Nähe schafft. Der Mensch mit Demenz spürt, wenn er ernst genommen wird – auch wenn er den Inhalt später vergisst.


Was viele Angehörige unterschätzen: Überforderung zeigt sich nicht immer sofort. Manchmal erst Stunden später. Die Unruhe am Abend, die Gereiztheit, die Rückzüge – all das kann ein Zeichen sein, dass der Tag zu voll war. Es ist keine Bewertung, kein Fehler. Es ist eine Information.


Fördern heißt, den Rhythmus zu verstehen. Manchmal geht etwas gut – und am nächsten Tag gar nicht. Manchmal braucht es Struktur – und manchmal eine Pause davon. Manchmal ist ein Spaziergang möglich – und manchmal nur ein Blick aus dem Fenster.

Das Entscheidende ist nicht das, was wir tun. Sondern die Haltung, mit der wir es tun.

Wer Menschen mit Demenz stärkt, stärkt oft zuerst die Sicherheit. „Du musst nichts können. Du bist richtig. Und wir machen das gemeinsam.“


Dann kann daraus Bewegung werden. Und ein kleines Training. Und ein Erfolgserlebnis. Und ein neuer Moment, der sich leicht anfühlt.

Überforderung entsteht dort, wo Druck ist. Förderung dort, wo Beziehung ist.

Vielleicht ist das der schönste Satz für Angehörige: Es muss nicht viel sein. Es muss nur gut tun.

ree

 
 
 

Kommentare


PER E-MAIL ABONNIEREN

Danke für die Nachricht!

© 2021 Christine Leyroutz - Alle Fotos von Fotografie_Lebzelt

bottom of page