Den gemeinsamen Spaziergang bereichern: Mehr als nur Bewegung
- leyroutz
- 18. Mai
- 2 Min. Lesezeit
Als Psychologin erlebe ich oft, wie wertvoll regelmäßige Spaziergänge für Menschen mit Demenz sein können. Aus der Perspektive von Tom Kitwoods personenzentriertem Ansatz bieten Spaziergänge weit mehr als nur körperliche Bewegung – sie können alle wichtigen psychosozialen Grundbedürfnisse ansprechen: Trost, Identität, Beschäftigung, Einbeziehung und Bindung.
Ein Spaziergang kann zu einem Höhepunkt des Tages werden, wenn er bewusst und liebevoll gestaltet wird. Hier einige praxiserprobte Anregungen:
Vor dem Spaziergang:
Wählen Sie einen günstigen Zeitpunkt, an dem Ihr Angehöriger ausgeruht und aufnahmefähig ist
Achten Sie auf bequeme, der Witterung angepasste Kleidung
Planen Sie eine vertraute, überschaubare Route ohne zu viele Ablenkungen oder Stressoren
Nehmen Sie sich genügend Zeit – Eile erzeugt Druck, der das Erlebnis beeinträchtigen kann
Während des Spaziergangs:
Gehen Sie in einem angenehmen, langsamen Tempo und passen Sie sich dem Rhythmus Ihres Angehörigen an
Lenken Sie die Aufmerksamkeit bewusst auf Sinneswahrnehmungen: "Riech mal die frischen Blumen", "Spürst du die Sonnenwärme auf der Haut?", "Hörst du die Vögel singen?"
Verbinden Sie das Gesehene mit biografischen Erinnerungen: "Die Rosen hier erinnern mich an deinen schönen Garten früher"
Benennen Sie Dinge und Situationen klar und einfach, ohne zu bevormunden
Planen Sie eine kleine Pause auf einer Bank ein, um zu rasten und zu beobachten
Erlebnisorientierte Ideen:
Sammeln Sie unterwegs kleine Naturmaterialien wie Blätter, Kastanien oder schöne Steine
Fotografieren Sie gemeinsam schöne Momente, um später darüber zu sprechen
Besuchen Sie einen Ort, der biografische Bedeutung hat
Integrieren Sie ein kleines Ziel wie einen Einkauf oder den Besuch eines Cafés
Grüßen Sie bekannte Gesichter – soziale Interaktionen sind wertvoll
Nach dem Spaziergang:
Lassen Sie den Spaziergang gemeinsam Revue passieren: "Die Sonnenblumen waren heute besonders schön, nicht wahr?"
Schaffen Sie ein Ritual zum Abschluss, etwa eine Tasse Tee oder das Betrachten der gesammelten Schätze
Achten Sie auf Anzeichen von Erschöpfung und sorgen Sie für ausreichend Ruhe
Ich erlebe immer wieder, wie solche bewusst gestalteten Spaziergänge selbst bei Menschen mit fortgeschrittener Demenz zu überraschenden Momenten der Präsenz und Freude führen können. Eine Angehörige berichtete mir, wie ihr schwer demenzerkrankter Vater, der kaum noch sprach, beim Anblick eines Kirschbaums in Blüte plötzlich zu erzählen begann, wie er als Kind auf Kirschbäume geklettert war.
Besonders wertvoll finde ich den Ansatz, Spaziergänge nicht als "Pflichtsport" zu betrachten, sondern als gemeinsames Erlebnis, das alle Sinne anspricht und Verbindung schafft. Manchmal kann es sogar schöner sein, weniger weit zu gehen, dafür aber bewusster wahrzunehmen und zu verweilen.
Denken Sie daran: Es geht nicht um Leistung oder Distanz, sondern um Qualität der gemeinsamen Zeit. Ein kurzer, achtsamer Spaziergang, der Freude bereitet, ist wertvoller als ein langer, der überfordert oder unter Zeitdruck stattfindet.

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