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Tag 117: Die Vaskulaere Demenz

  • leyroutz
  • vor 12 Minuten
  • 3 Min. Lesezeit

Einatmen, ausatmen – eine andere Art der Demenz

Vielleicht spüren Sie es zuerst beim gemeinsamen Spaziergang: Ihr Vater wirkt ungewohnt langsam, verliert den Faden, stolpert gedanklich – nicht wegen vergessener Namen, sondern weil der ganze Denk-Fluss zäher geworden ist. Vaskuläre Demenz, besonders die Form subkortikalen Vaskulären Demenz (SVD), fühlt sich oft an wie ein Flussbett voller kleiner Steinchen: Jeder Mini-Infarkt, jede Mikroblutung staut den gedanklichen Strom ein bisschen mehr.


Das ist anders als beim Alzheimer-typischen „Loch“ im Gedächtnis. SVD-Demenzen zeigen eher Verlangsamung, Planungs- & Gangprobleme, Stimmungsschwankungen – und sie verlaufen gern stufenweise: ein Schlaganfall-Ereignis, dann scheinbar Stabilität, dann der nächste Einbruch. Dieser Rhythmus macht den Alltag für Angehörige so unvorhersehbar.


2. Was im Gehirn passiert – Fachlich auf den Punkt
  • Gefäßengstelle im Kleinen: Winzige Arteriolen verengen sich durch Bluthochdruck, Diabetes, Cholesterin & Co. Es entstehen Lacunen, white-matter-Hyperintensitäten und Mikroblutungen.

  • Keine Einbahnstraße: Jede Gefäßkrise kann neue Defizite auslösen – Konzentration heute, Gang morgen.

  • Bildgebung entscheidet: Ein MRT mit T2-Sequenzen zeigt das typische „Sternenfeld“ der weißen Substanz.

  • Therapie ist Gefäß-Management: Blutdruck, und Bewegung

3. Symptome, die Sie kennen sollten

Frühe Warnzeichen

Typische Alltagsfolgen

• Langsame Informationsverarbeitung


• „Executive Fog“ (Planen, Multitasking schwer)

• Kochen wird zur Baustelle, weil Schritte vergessen werden.


• Unentschiedenheit beim Einkaufen („Was wollte ich noch…?“)

• Gangunsicherheit,

• Mehr Stürze; Gehhilfe früh überlegen.

• Stimmung: Reizbarkeit oder Apathie

• „Er/sie will nichts mehr“ – oft Missbrauch von „Faulheit“ statt Symptom.

• Blasen­drang, besonders nachts

• Schlafunterbrechungen → Tagesmüdigkeit für beide.

4. Ihr Werkzeugkoffer als Angehörige

  1. Medizin mitmanagen

    • Blutdruckgerät zuhause: ein Morgen- und ein Abendwert geben Sicherheit.

    • Medikamentenbox mit Alarm; SVD verzeiht keine vergessene Tablette.


  2. Tagesstruktur entschleunigen

    • 30-30-30-Regel: 30 Min. Aktivität (Spaziergang), 30 Min. kognitive Anregung (Puzzle, Leserätsel), 30 Min. aktive Pause (Entspannungs­musik)


  3. Wortlos führen

    • Bei Verlangsamung hilft Rhythmus: „Wir ziehen erst den Mantel eins-zwei, dann Schuhe eins-zwei.“

    • Kurze Sätze, eindeutige Handlungs­schritte.


  4. Bewegung als Medizin

    • Dreimal pro Woche 20 Min. flott gehen senkt das Progressionsrisiko laut aktuellen SVD-Daten.


  5. Sturz- und Gefäß-Doppelstrategie

    • Physiotherapie + Sturzmatten = weniger Angst.

    • Jede Aktivierung ist zugleich Gefäßtraining.


5. Selbstfürsorge – Sie sind keine Zuschauer: Sie sind das zweite Herz-Kreislauf-System

SVD-Verläufe dauern Jahre. Pflegende erschöpfen sich oft früher als die Patient*innen. Bauen Sie „Verschnauf­inseln“:

  • Mikro-Auszeiten: Fünf tiefe Atemzüge am Fenster, wenn der Blutdruck gemessen ist.

  • Betreuungs-Brücken: Tagespflege oder Nachbarschafts­hilfe für den wöchentlichen Kaffee mit Freund*innen.

  • Gefühlscheck: Notieren Sie einmal pro Woche drei Emotionen – ein Mini-Logbuch gegen das stille Verbrennen.


6. Hoffnung & Realität: Zwei Seiten einer Münze

Ja, SVD ist nicht heilbar – aber: Jede kontrollierte Risikofaktor-Minute, jeder sichere Schritt verzögert neues Hirn­areal-Schweigen. Unser Ziel ist nicht Perfektion, sondern Lebensqualität in kleinen Portionen: die Freude an einer Fotoserie, das sichere Gefühl beim gemeinsamen Abendbrot, der Stolz nach zwei Treppen­absätzen ohne Pause.

Halten Sie sich an das alte Pflege-Mantra:

„Wir können die Krankheit nicht stoppen, aber wir können ihren Takt verlangsamen und die Musik dazwischen hörbar machen.“

7. Zum Mitnehmen

  1. SVD-Demenz ≠ Alzheimer: Denken Sie an Verlangsamung & Gang – nicht nur an Vergessen.

  2. Gefäßpflege ist Hirnpflege: Blutdruck, Zucker, Fette sind Ihre wichtigsten „Medikamente“.

  3. Klare Routinen + Bewegung + Pausen = Dreiklang für Betroffene und Angehörige.

  4. Sie sind Teil des Teams: Fragen Sie Ärzteschaft nach Reha, Pflegstufe, Kurzzeitpflege.

  5. Erlauben Sie sich Trauer UND Freude – beides sind natürliche Reaktionen auf ein Leben mit vaskulärer Demenz.

    Bleiben Sie mutig, achten Sie auf Ihre eigene Durchblutung von Körper und Seele – denn ein warmes Herz schlägt gegen die Kälte kleiner Gefäße an.



 
 
 

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© 2021 Christine Leyroutz - Alle Fotos von Fotografie_Lebzelt

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