Tag 136: Wenn der Familienfrieden broeckelt – Was Streit mit demenzkranken Menschen macht
- leyroutz
- vor 1 Tag
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„Ich verstehe nicht, worum es geht – aber ich spüre, dass etwas nicht stimmt.“Dieser Satz könnte aus dem Inneren eines Menschen mit Demenz stammen, wenn rundherum die Stimmung kippt.
Familien, die einen demenzkranken Angehörigen begleiten, erleben oft herausfordernde Situationen. Unterschiedliche Meinungen über Pflege, Wohnort, finanzielle Fragen oder einfach die Alltagsgestaltung können zu Konflikten führen – oft mitten im Wohnzimmer, während die betroffene Person anwesend ist. Was dabei häufig unterschätzt wird: Auch wenn Menschen mit Demenz die Inhalte der Streitigkeiten nicht mehr verstehen, nehmen sie die emotionale Atmosphäre sehr genau wahr.
1. Emotionale Resonanz – das feine Gespür bleibt
Menschen mit Demenz verlieren im Verlauf der Erkrankung kognitive Fähigkeiten – Gedächtnis, Sprache, Planung. Was jedoch oft erhalten bleibt, ist die emotionale Resonanzfähigkeit. Sie spüren, wie etwas gesagt wird, ob jemand gestresst, ärgerlich oder liebevoll ist.
Psychologisch betrachtet reagieren sie besonders empfindlich auf emotionale Spannungen. Das limbische System – zuständig für emotionale Verarbeitung – ist oft noch aktiv, während das rationale Verstehen schon eingeschränkt ist. Das bedeutet: Ein Streit, ein genervter Ton, ein abfälliger Blick kann viel stärker auf sie wirken als auf gesunde Menschen.
2. Verunsicherung und Rückzug
Ein häufiger Effekt von familiären Konflikten ist, dass sich der demenzkranke Mensch zurückzieht oder verunsichert reagiert. Manche werden traurig, manche unruhig oder sogar aggressiv. Andere entwickeln psychosomatische Symptome – Schmerzen, Schlafstörungen, Appetitlosigkeit.
Fachlich gesehen lässt sich das als eine Überforderung durch Reizverarbeitung erklären: Der Mensch kann die Konfliktsituation nicht einordnen, fühlt sich aber bedroht. Das Sicherheitsgefühl – ein zentraler psychologischer Anker – geht verloren.
3. Gefahr für das Beziehungsfundament
Demenz erschwert die Kommunikation. Wenn zusätzlich Konflikte zwischen Angehörigen bestehen, leidet oft das Vertrauensverhältnis. Wer sich emotional aufreibt, hat weniger Geduld, weniger Kraft. Das wirkt sich auch auf die Qualität der Beziehung zum Erkrankten aus – oft ungewollt, aber spürbar.
Gerade Menschen mit Demenz brauchen emotionale Klarheit, Ruhe und Bindung. Wenn diese durch Streit erschüttert werden, geraten sie innerlich ins Wanken.
4. Wie können Angehörige gut damit umgehen?
Bewusst Raum schaffen für Streit – außerhalb der Hörweite.Schwierige Themen gehören nicht ins Wohnzimmer, wenn der demenzkranke Angehörige anwesend ist.
Emotionale Hygiene betreiben.Sich ehrlich fragen: Wie geht es mir? Was brauche ich, um wieder in Verbindung zu kommen – mit mir selbst und mit dem anderen?
Mediation oder Beratung in Anspruch nehmen.Gerade bei langanhaltenden Spannungen kann es entlastend sein, eine neutrale Person einzubeziehen.
Stille Kommunikation pflegen.Auch ein liebevoller Blick, eine ruhige Hand oder ein gemeinsames Lied können mehr sagen als tausend Worte – und Sicherheit vermitteln.
Abschließender Impuls
Demenz macht aus Menschen keine Gefühlslosen. Im Gegenteil: Oft wird die emotionale Wahrnehmung sogar geschärft.Familienstreitigkeiten sind menschlich – aber sie sind auch laut, unübersichtlich und bedrohlich für jemanden, der die Welt ohnehin schon schwer versteht.
Ein demenzkranker Mensch braucht kein perfektes Familienbild. Aber er braucht Sicherheit, Zugewandtheit und Schutz vor emotionalem Lärm.

Haben Sie schon erlebt, wie sich Konflikte auf Ihren Angehörigen auswirken? Was hat geholfen, wieder in die Verbindung zu kommen? Teilen Sie gern Ihre Erfahrung in den Kommentaren.
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