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Tag 81: Die Kraft der kleinen Erfolge in der Demenzbegleitung

  • leyroutz
  • 15. Apr.
  • 2 Min. Lesezeit

In unserer leistungsorientierten Gesellschaft fällt es oft schwer, den Maßstab für "Erfolg" fundamental zu verändern. Doch genau diese Neuorientierung ist eine der wichtigsten psychologischen Anpassungen, die pflegende Angehörige von Menschen mit Demenz vornehmen müssen.


Aus neuropsychologischer Sicht betrachtet, verändert die Demenz nicht nur das Gedächtnis, sondern auch exekutive Funktionen, die Aufmerksamkeitssteuerung und mit fortschreitendem Verlauf selbst grundlegende Alltagskompetenzen. Dennoch – und das ist die ermutigende Botschaft der modernen Demenzforschung – bleiben viele Fähigkeiten fragmentarisch erhalten, und neue Lernprozesse sind in begrenztem Umfang möglich.

Die amerikanische Validationsexpertin Naomi Feil hat mit ihrem ressourcenorientierten Ansatz eine wichtige Perspektive eingebracht: Den Menschen nicht an dem zu messen, was er verloren hat, sondern an dem, was er noch kann. Diese Haltung ist nicht nur für den Betroffenen würdevoll, sondern auch für Angehörige entlastend.

In meiner therapeutischen Arbeit ermutige ich Familien daher zum bewussten Fokus auf "Mikro-Erfolge". Einige Beispiele, die ich immer wieder als bedeutsam erlebe:


  • Das selbständige Anziehen eines Kleidungsstücks

  • Ein Moment des Wiedererkennens

  • Die Initiative, nach einem Gegenstand zu greifen

  • Ein spontanes Lächeln oder Lachen

  • Das Mitsummen einer Melodie

  • Das kurzzeitige Fokussieren auf eine Tätigkeit


Diese Momente verdienen unsere volle Wertschätzung und explizite verbale Anerkennung: "Ich habe gesehen, wie du heute selbst den Löffel gehalten hast. Das hast du wunderbar gemacht!"

Ein besonders hilfreiches Instrument ist das "Freudenbuch" – ein einfaches Notizbuch, in dem Sie täglich einen positiven Moment festhalten. Diese Praxis hat mehrere psychologische Funktionen:


  1. Sie schärft Ihren Blick für positive Ereignisse und wirkt der natürlichen negativen Wahrnehmungsverzerrung entgegen.

  2. Sie schafft ein konkretes "Erfolgsarchiv", das an schweren Tagen Hoffnung geben kann.

  3. Sie würdigt die Persönlichkeit und die verbliebenen Fähigkeiten Ihres Angehörigen.


    Aus meiner klinischen Erfahrung kann ich bestätigen: Familien, die diese Mikro-Erfolge wahrnehmen und würdigen, berichten von einer veränderten, positiveren Grundhaltung im Pflegealltag – trotz aller Herausforderungen. Sie erleben mehr Momente echter Verbindung und können den gemeinsamen Weg trotz aller Verluste auch als bereichernd erfahren.



 
 
 

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© 2021 Christine Leyroutz - Alle Fotos von Fotografie_Lebzelt

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