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Tag 89: Die philosophischen Grundlagen der Validation

  • leyroutz
  • 23. Apr.
  • 3 Min. Lesezeit

Validation, entwickelt von der amerikanischen Gerontologin Naomi Feil in den 1960er Jahren, steht in perfektem Einklang mit Kitwoods personenzentriertem Ansatz. Beide betonen die Bedeutung der subjektiven Erfahrungswelt des Menschen mit Demenz und die Notwendigkeit, diese anzuerkennen und wertzuschätzen.

Der Begriff "Validation" (von lateinisch "validus" = stark, wirksam) bedeutet wörtlich "gültig machen" oder "Gültigkeit verleihen". Es geht darum, die subjektive Realität und die Gefühle des Menschen mit Demenz als gültig anzuerkennen – selbst wenn diese aus objektiver Sicht nicht der gegenwärtigen Realität entsprechen.

Validation basiert auf mehreren Grundannahmen:


  • Jedes Verhalten hat einen Grund, auch wenn dieser nicht unmittelbar erkennbar ist

  • Auch bei fortgeschrittener Demenz haben Menschen emotionale Bedürfnisse, die anerkannt werden müssen

  • Die subjektiv erlebte Realität ist für den Menschen mit Demenz "wahr" und verdient Respekt

  • Hinter verwirrtem Verhalten stehen oft unerledigte Lebensaufgaben oder emotionale Themen

  • Menschen mit Demenz befinden sich oft auf einer "Zeitreise" in ihre Vergangenheit


Die praktische Anwendung der Validation im Alltag
1. Validierender Umgang mit zeitlicher Desorientierung:

Wenn Ihr Angehöriger in einer anderen Zeit lebt – etwa als junger Erwachsener – und nach seinen Eltern fragt, könnte eine validierende Reaktion so aussehen:

Nicht-validierend: "Deine Eltern sind längst tot. Du bist 83 Jahre alt." Validierend: "Du denkst gerade an deine Eltern? Erzähl mir von ihnen. Was vermisst du besonders an deiner Mutter?"

Anstatt die Person mit der schmerzhaften Realität zu konfrontieren, erkennen Sie die emotionale Wahrheit hinter der Frage an – die Sehnsucht nach Geborgenheit, nach den Eltern, nach einer Zeit, in der die Welt vertrauter war.


2. Validieren bei emotionaler Erregung:

Wenn Ihr Angehöriger aufgebracht ist und beispielsweise behauptet, bestohlen worden zu sein:

Nicht-validierend: "Niemand hat dich bestohlen. Du verlierst einfach ständig deine Sachen." Validierend: "Du vermisst deine Brieftasche und bist beunruhigt. Das kann ich gut verstehen. Es ist beängstigend, wenn man wichtige Dinge nicht finden kann. Lass uns gemeinsam schauen."

Hier anerkennen Sie das Gefühl der Verunsicherung und des Verlusts, ohne die Fehlannahme direkt zu korrigieren.


3. Validation durch empathisches Spiegeln:

Eine besonders wirkungsvolle Technik ist das empathische Spiegeln, bei dem Sie die wahrgenommenen Emotionen und Körpersignale Ihres Angehörigen verbal oder nonverbal zurückspiegeln:

Verbales Spiegeln: "Ich sehe, dass dich das sehr traurig macht." Nonverbales Spiegeln: Anpassen Ihrer Körperhaltung und Sprechweise an die Energie der Person (behutsam bei Ängstlichkeit, energischer bei Wut)

Diese Form der Validation vermittelt tiefes Verständnis und kann besonders bei fortgeschrittener Demenz, wenn die verbale Kommunikation eingeschränkt ist, Brücken bauen.


4. Biografische Validation:

Diese erweiterte Form der Validation nutzt Kenntnisse über die Lebensgeschichte der Person, um deren gegenwärtiges Verhalten zu verstehen und zu validieren:

Eine ehemalige Lehrerin, die ständig nach ihren Schülern ruft, könnte validiert werden mit: "Sie haben sich immer um Ihre Schüler gekümmert. Das war eine wichtige Aufgabe für Sie, nicht wahr? Erzählen Sie mir von Ihrer Zeit als Lehrerin."

Hier erkennen Sie die berufliche Identität an, die trotz Demenz erhalten geblieben ist, und geben der Person die Möglichkeit, sich als kompetent zu erleben.


Validation ist nicht Täuschung

Ein häufiges Missverständnis bezüglich Validation ist, dass es sich um eine Form der Täuschung oder Lüge handele. Dies ist nicht der Fall. Validation bedeutet nicht, Unwahrheiten zu bestätigen oder erfundene Geschichten zu erzählen. Vielmehr geht es darum, die emotionale Wahrheit hinter den Äußerungen zu erkennen und zu würdigen.

Ein hilfreiches Konzept ist die "emotionale Wahrheit" versus die "faktische Wahrheit". Wenn eine Mutter mit Demenz nach ihrer verstorbenen Mutter fragt, ist die faktische Wahrheit, dass diese nicht mehr lebt. Die emotionale Wahrheit jedoch ist, dass die Person sich nach Trost, Sicherheit und Geborgenheit sehnt – Gefühle, die sie mit ihrer Mutter verbindet.

Validation reagiert auf diese emotionale Wahrheit, ohne die faktische Wahrheit explizit zu bestätigen oder zu widerlegen. Ein möglicher Ansatz wäre: "Du vermisst deine Mutter gerade sehr. Sie hat dir immer ein Gefühl von Sicherheit gegeben, nicht wahr?"


Validationstechniken für fortgeschrittene Stadien

Bei fortgeschrittener Demenz, wenn die verbale Kommunikation stark eingeschränkt ist, können folgende Techniken besonders wertvoll sein:

  • Berührungsvalidation: Bewusster Einsatz von Berührungen, die der Person aus ihrer Biografie vertraut sind

  • Musikvalidation: Einsatz von biografisch bedeutsamen Liedern, um Gefühle und Erinnerungen zu validieren

  • Sinnesvalidation: Ansprechen der noch funktionierenden Sinneskanäle durch vertraute Gerüche, Geschmäcker oder taktile Erfahrungen.


    Ein besonders berührendes Beispiel ist die "Hand-zu-Hand"-Technik, bei der Sie Ihre Hand neben die Hand der Person legen und warten, ob sie den Kontakt aufnimmt. Diese non-direktive Form der Berührung respektiert die Autonomie und kann dennoch tiefe Verbindung schaffen.



 
 
 

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